Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht

Mittwoch, 18 Dezember 2013 00:15

Die 2. Bundesliga Ost ist ein hartes Pflaster. Wir waren es schon gewohnt, jedes Jahr gegen den Abstieg zu kämpfen und erst im letzten Moment den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Letztes Jahr starteten wir mit 0-12 Mannschaftspunkten und schafften den Verbleib mirakulös durch Siege in den letzten 3 Runden, die letzte davon zu siebt ohne GM gegen das scheinbar übermächtige Aue. Es dürfte allen klar gewesen sein, so etwas ist schwer zu toppen. Kurz gesagt: Diesmal haben wir es übertrieben! Pang/Rosenheim brachte mit einem Sieg gegen Zugzwang München unseren letzten Hoffnungsglimmer zum Erlöschen und wir steigen ab. Der Krug geht eben zum Brunnen bis er bricht.

Der Nachricht vom Sieg der Rosenheimer gingen zwei eigene Niederlagen in Nürnberg gegen den USV TU Dresden und Nickelhütte Aue voraus, beides starke Mannschaften, die noch vor wenigen Jahren in der 1. Bundesliga mitspielten. Trotz der nominellen Stärke der Gegner rechneten wir uns gute Chancen für den einen oder anderen Mannschaftspunkt aus, hatten wir doch gegen starke Teams und Tabellenführer noch immer gut abgeschnitten. Es kam aber anders. Der Reihe nach:

Am Samstag eröffneten Johannes und Markus die Resultatreihe mit soliden Unentschieden. In der Partie Rusche-Seifert überraschte Schwarz in einem Tarrasch-Franzosen mit dem seltenen Zug 3...h6, was später zu einer Stellung mit weißem Isolani auf d4 führte. Am Schluss wog sich die weiße Zentrumsdomination mit dem Läuferpaar und 100 Mehrelo von Seiten Schwarz auf. Die Partie Wegener-Schleich begann mit Modern, führte durch c2-c3 und später c3-c4 jedoch zu einer Königsindisch-Stellung. Glücklicherweise versteht sich Markus auch darauf. Er schaffte es, durch Aushebelung des weißen Bauernzentrums gewissen Vorteil zu erlangen. Dieser verflüchtigte sich dann allerdings nach dem Damentausch. Zwischenstand 1:1.

Als nächstes mussten wir drei Niederlagen hinnehmen. Egor konnte sich zwar in der Eröffnung (einem Lb5-Sizilianer) das Läuferpaar ergattern, kam dann aber im Zentrum unter Beschuss. Nach einem sehenswerten Opfer von zwei Leichtfiguren gegen einen Turm seitens des Gegners Bönsch waren Egors Figuren am Damenflügel abgedrängt, während die schwarzen Schwerfiguren durch das Zentrum über den weißen König herfielen mit fatalen Folgen. Elena startete solide in die Partie mit einem angenommenen Damengambit und problemlosem Ausgleich gegen Gauglitz. Leider verpasste es Elena danach, den auf g4 aktiv postierten Springer nach e5 zurückzuziehen, wonach dieser an den Rand gedrängt und bald zusammen mit seinem Kollegen auf f6 gegabelt wurde. Die taktischen Komplikationen, die Schwarz noch herbeizuführen schaffte, reichten nicht mehr, um die Niederlage abzuwenden. Jiri versuchte in der Eröffnung, den Gegner mit einer seltenen Variante im Holländer zu überraschen. Leider wies sich der Gegner namens Gajewski als bestens gewappnet und stellte das schwarze Spiel bald in Frage. Ein geschickter Springerrückzug nach b1 ließ den schwarzen Läufer auf b4 im Regen stehen. Mit kräftigen Zügen eroberte Gajewski das Zentrum und errichtete einen gedeckten Freibauer auf d6. Die schwarzen Figuren, verstreut und unterentwickelt, wussten sich nur noch durch die Partieaufgabe aus dieser misslichen Lage zu befreien. Zwischenstand: 1:4. Die Niederlage war unvermeidbar.

Als nächstes endeten die Partien von Roland und Chris. In Maiwald-Lötscher kam Schwarz vorzüglich aus der Eröffnung, einem Sizilianer mit weißem Fianchetto und Bauerntausch auf d5. Ein Problem am Damenflügel schaffte er zu lösen, ehe Weiß den durch ein Schach nach f1 getriebenen König mit dem Turm auf h1 vertauschen konnte. Schwarz nutzte dies, um sich einen von Weiß zu eilig nach a5 gejagten Bauer einzuverleiben. Der Bauernfraß ging allerdings mit einer Entwertung der Bauernstruktur vor dem schwarzen König einher. Während Weiß immer besser ins Spiel kam und sein Turm-Problem löste, kam Schwarz nicht weiter. In gegenseitiger Zeitnot konnte Weiß jedoch seine Chancen nicht nutzen und das Spiel endete friedlich im Turmendspiel.

Die Partie Köpke-Tischbierek begann recht vielversprechend aus unserer Sicht. Allerdings verpasste Chris die beste Möglichkeit und musste sich dann gegen einen potentiell dominanten Springer zur Wehr setzen, der unvertreibbar auf dem geschwächten Zentrumsfeld aufzutauchen drohte. Schwarz schaffte es, alle positionellen Trümpfe auszuspielen und gewann schließlich überzeugend. Zwischenstand 1.5:5.5.

Als letztes endete die Partie Schmitz-Hoffmann, welche durchwegs ideenreiches und kampfbetontes Spiel von beiden Seiten zeigte. Toschi eröffnete mit dem Königsbauer und Königsläufer-Fianchetto, was zuerst zu einem geschlossenen Sizilianer, später aber zu einer geschlossenen spanischen Struktur führte. Nach einem Springertausch auf f5 versuchte Schwarz das Zentrum und einen Bauern am Damenflügel an sich zu reißen. Toschi wusste sich zu helfen und opferte gleich zweimal eine Qualität, wovon nur eine angenommen wurde. Nach einigen Tauschoperationen verblieb Schwarz mit Mehrqualität und Minusbauern, wobei sich die 3 schwarzen Bauern mit den 4 weißen Bauern am Königsflügel verkeilten. Da sich der verbliebene Läufer optimal mit den weißen Bauern ergänzte, war es für Toschi ein Leichtes, die Stellung zu halten. Endstand 2:6, Sieg für Dresden.

Am Samstagabend trösteten wir uns mit einem Abendessen beim Chinesen (es ist gar nicht so einfach, zu neunt Platz zu erhalten). Harry stieß dazu und löste Egor ab. Ein Manöver, das den Gegnern wohl die Vorbereitung erschwerte. Wir waren weiter guten Mutes und gingen am Sonntag optimistisch in den Kampf gegen Nickelhütte Aue, die wir in den vergangenen zwei Jahren zu besiegen vermochten.

Nach der ersten Spielstunde sah es auch recht vielversprechend aus. Vorteile waren besonders an den Brettern von Chris, Markus und Toschi auszumachen. Dagegen stand Johannes mit dem Rücken zur Wand.

Als erstes endeten die Partien von Chris und Markus. In einem c3-Sizilianer hatte sich Chris Gegner Meijers zu sehr am Damenflügel geschwächt und musste mit noch unrochiertem König einen Turm auf der c-Linie eindringen lassen, der zusammen mit dem vom Isolani-Bauern gestützten Springer auf e5 für reichlich Unruhe im schwarzen Lager sorgte. Leider änderte sich die Stellungsbeurteilung massiv mit einem Zwischenzug, als der weiße Turm keck auf d7 die schwarze Dame befragte. Schwarz schlug nämlich den deckenden Springer mit dem Läufer und Angriff auf die weiße Dame auf f4, so dass Chris aufgeben konnte.

Markus legte seine Partie ausnahmsweise positionell im Lb5-Sizilianer an. Dem mit Schwarz spielenden Rosko verpasste er einen Doppelbauern auf der g-Linie und durch die weißen Zentralbauern d4, e5 eingesperrten Fianchetto-Läufer. Es sah wirklich alles prima aus, bevor auch hier der Sensenmann zuschlug. Mit einem eigentlich für Markus typischen kleinen Trick Dxd3 gefolgt von einer Springergabel auf f4 eroberte sich sein Gegner einen ganzen Springer. Damit war es auch hier aus. Zwischenstand 0:2.

Auch Johannes musste sich schließlich geschlagen geben. Er geriet mit Schwarz spielend schon in der Eröffnung (mit weißem d5 gegen schwarzes b5, c5) unter Druck. Mit dem etwas unmenschlichen 9...g5 hätte er noch die Balance halten können, aber nach dem zweitbesten 9...g6 ging er langsam aber sicher unter. Sein Gegner Londyn spielte super-präzise und ließ keine Gegenchance mehr zu. Der schwarze König wurde im Zentrum verbraten.

Besser lief es bei Roland. Sein Gegner (Gabor) Papp wollte sich für einmal nicht auf einen offenen Sizilianer einlassen und ließ es mit 2.c3 solide angehen. Weiß ließ sich auf eine der Hauptvarianten nach 2...d5 ein, in der er mit Isolani gegen aktive schwarze Figuren kämpft. Schwarz spielte nach altbewährtem Rezept: Erst 2-3 Leichtfiguren tauschen und sich dann langsam über den gegnerischen Isolani hermachen. Papp hatte allerdings nach dem Tausch zweier Leichtfigurenpaare genug davon gesehen und bot Remis an, was Schwarz nicht zuletzt aufgrund der hohen Elodifferenz annahm. Zwischenstand 0.5:3.5.

Jiri setzte seinen Gegner Prohaszka im frühen Mittelspiel unter Druck. Ein isolierter d-Bauer schaffte es bis nach d6 und teilte damit das Feld in zwei Hälften. Die weiße Dame und ein Springer auf e4 bereiteten dem schwarzen Monarchen Kummer und Sorge. Leider konnte Jiri diesen Vorteil nicht in einen Sieg ummünzen und so endete auch diese Partie mit einem Unentschieden. Somit stand es 1:4 und die Niederlage war mehr oder weniger unabwendbar, da Haralds Partie mit normalen Mitteln nicht zu gewinnen war.

Harald tanzte den Tango, charakterisiert durch Sf6, Sc6 gegen weißes d4, c4, gefolgt vom Springermanöver Se7, Sg6 nach Vorrücken des weißen d-Bauerns. Sein Gegner Spieß schien sich auszukennen und setzte Schwarz mit frühem h4 zu. Harald ließ sich dadurch nicht beirren und glich nach und nach aus. Kurz vor der Zeitkontrolle verpasste er es aber, seine Dame zu aktivieren und kämpfte schließlich in einem Endspiel mit einem schlechten, schwarzfeldrigen Läufer gegen den weißen Springer ums Überleben. Seine Bemühungen waren schlussendlich umsonst, womit der Zwischenstand nun 1:5 lautete.

In den verbliebenen Partien von Elena und Toschi lagen jedoch noch zwei Ehrentreffer drin. Die mit Weiß spielende Elena hatte einen Franzosen auf dem Brett und opferte im Mittelspiel zur Beschleunigung ihres Königsangriffs durch die g-Linie einen Randbauern. Danach verpasste es Schwarz, seine Dame auf h6 rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Nach 26.Th3 musste sich der schwarze Läufer auf h4 dazwischen stellen und diese Fesselung war nicht mehr aufzuheben, so dass der Läufer fiel. Dabei verspeiste Schwarz jedoch zwei weitere Bauern auf f4 und e5, so dass er mittels seiner frei gewordenen Bauern gutes Gegenspiel erhielt. In der folgenden Zeitnotschlacht gewann Weiß einen Bauern plus eine Qualität, dafür rückten die schwarzen Bauern bis nach e2 und f4 vor und der weiße Läufer stand ungünstig, so dass die Lage ungeklärt blieb. Nach der Zeitkontrolle opferte Elena den Läufer und konnte so beide Freibauern eliminieren. Das entstehende Endspiel mit Mehrqualität gewann sie sicher.

Toschi brachte mit Schwarz gegen Wichmann spielend den Königsinder aufs Brett und setzte auch gleich das Brett in Flammen, indem er zwecks Entwicklung den weißen d-Bauern sich über c5, d6 bis nach e7 durchfressen ließ. Den Entwicklungsvorteil nutzte er, indem er sich einen Bauern nach dem anderen zurückholte, bis er schließlich selbst mit Mehrbauer verblieb. Weiß sorgte dafür für Unruhe um den schwarzen König, indem er seinen auf h1 verbliebenen Turm durch Vorpreschen des h-Bauerns aktivierte. Toschi behalf sich mit Damentausch und nach Abtausch weiterer Figurenpaare vereinfachte sich die Stellung, bis letztlich ein reines Läuferendspiel mit 3 schwarzen gegen zwei weiße Bauern übrigblieb. Zweimal verpasste Toschi den Gewinn (56...Lh4 gefolgt von Lf6 und, wesentlich einfacher, 63...a2 gefolgt von baldiger Umwandlung), so dass die Partie schließlich unentschieden endete. Endstand 2.5:5.5.

Damit blieben wir auf unseren 3 Mannschaftspunkten sitzen. Auf der Rückreise erfuhren wir zudem vom Sieg der Bindlacher gegen Plauen, so dass auch die Bindlacher uneinholbar waren. Wir malten uns schon wilde Szenarien aus, in welchen wir Pang Rosenheim (mit 7 Mannschaftspunkten) in letzter Sekunde noch einholen würden, ähnlich dramatisch wie im letzten Jahr. Leider folgte später abends die Ernüchterung. Pang hatte Zugzwang geschlagen und wir steigen ab.

Es bleiben zwei Runden gegen Plauen und Erfurt. Mit einem Sieg in Plauen könnten wir uns noch einen ehrbaren achten Rang (der erste Abstiegsplatz) vor Plauen und Nürnberg sichern. Danach geht‘s zurück in die bayrische Oberliga. Wir freuen uns auf kürzere Anfahrtswege, entspanntere Wochenenden (nur eine Partie) und darauf, dass auch der Gegner mal was hängen lässt. Trotzdem: Die drei Jahre 2. Bundesliga wird wohl allen von uns als sehr aufregende und lehrreiche Zeit in Erinnerung bleiben. Und wer weiß: Vielleicht rocken wir die Oberliga und steigen bald wieder auf.