Zweite kommt mit blauem Auge davon

Sonntag, 09 November 2014 19:20

SC Garching 2 - SC Türkheim/Bad Wörishofen     4:4

 

Es läuft die sechste Stunde im Mannschaftskampf. Spielstand 3,5:3,5. Mariusz hat alle Zeit verbraucht, bekommt aber mit jedem Zug 30 Sekunden dazu. Er kämpft wie ein Löwe ums Remis. Dabei hatte es lange so gut ausgesehen. Er war überlegen aus der Eröffnung gekommen, konnte den Königsflügel abriegeln und sich den vollkommen passiven Gegner zurechtlegen. Schließlich gewann er die Qualität, nur plötzlich gewannen die schwarzen Bauern ungeahnte Dynamik, und jetzt ist es Mariusz, der mit Turm gegen Springer ums Überleben kämpft. Schließlich ist es soweit: Mit 75.Txe2 oder 75.b4 fliegen zwangsweise die beiden letzten schwarzen Bauern vom Brett - aber Mariusz fasst den König an und läuft in die letzte verbliebene Gabel auf dem Brett. Karsten kann sich nicht halten und stürmt aus dem Raum. Doch als er zurückkommt, hat der Gegner diese Möglichkeit übersehen, und die Partie ist remis. 4:4, noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen.

Und dabei sah es lange gut aus für den SCG. Zwar waren nach der Eröffnungsphase viele Bretter leicht im Nachteil, aber haben wir nicht an jedem Brett deutliche DWZ-Vorteile?

 

Bevor es zu brenzlig wird, willigt Claus alsbald in unklarer oder auch schon schlechterer Stellung in eine Zugwiederholung bzw das Remisangebot des Kontrahenten ein. Denis bringt uns in Führung: Konsequent ist er im Damengambit gegen den weißen König vorgegangen, hat mit 20... b5 ein gleichsam offensichtliches wie auch lehrreiches Bauernopfer für zwei Tempi und schöne Läuferdiagonale gebracht, die er auch sogleich mit einem krachenden Lxg2+ ausnutzen kann. Am Ende sieht sich ein nackter weißer König wehrlos einer schwarzen Schwerfigurenarmada nebst zwei mächsteigen Bauern auf der dritten Reihe gegenüber, und da mag er nicht mehr.

 

Karsten geht es weniger gut: Zunächst lässt er in seinem Caro-Kann den Standard-Einschlag 11.Lxe6 zu, der hier einen Bauern ersatzlos kostet, und später schlägt ein ähnlicher Blitz gleich noch mal ein: 30.Sxf7, und Tod auf den weißen Feldern. Jochen stellt den Abstand wieder her. In einer hyperscharfen Holländisch-Variante opfert er frühzeitig die Qualität, kann dafür aber den schwarzen König erst mal in der Mitte festhalten und einen starken Bg6 etablieren. Die Stellung sollte in etwa im dynamischen Gleichgewicht sein, ist aber nicht leicht zu spielen, wie zahlreiche Ungenauigkeiten belegen (12.fxg6! bzw. 15... 0-0 sind deutliche Verbesserungen). Am Ende schafft es unser Gegner nicht, seinen Th8 noch irgendwann ins Spiel zu bringen, und die Minus-Qualität (oder besser gesagt: die spielende Mehrfigur) setzt sich durch. Remis alsbald auch bei Johannes: In der Schlussstellung steht wohl derjenige schlechter, der der Zugwiederholung ausweicht.

Damit also 3:2 für Garching, und die verbleibenden Bretter werden mit "zwei Mal ein Dreiviertel-Punkt und ein Mal ein Viertelpunkt" abgeschätzt.

 

Leider gibt es beim Schach aber keine Viertelpunkte zu vergeben, und zu Ungunsten Garchings wird heute drei Mal abgerundet! Auch Gerhard gewinnt die Qualität, aber plötzlich marschieren zwei verbundene Freibauern des Gegners munter in Richtung Damenumwandlung. Da helfen keine Tricks und Scheinangriffe auf den König, die Partie ist verloren. Richard hat die Eröffnung originell behandelt: Nach den Zügen c7-c5, Sb8-c6, Sg8-f6, Sc6-b8 und Sf6-g8 steht er sich dem unlösbaren strategischen Problem gegenüber, wie er jetzt auch noch den c-Bauern auf sein Ausgangsfeld zurückbeordern kann. ;-)   In der Folge entwickelt er stattdessen die Figuren ein zweites Mal, überspielt den Weißen und knetet nun ein T+S vs T+L Endspiel mit Mehrbauern. Als vom Brett 6 das Signal kommt, "Remis reicht" (Mariusz hat gerade die Qualität erobert) und gleichzeitig sein Gegner remis bietet, willigt Richard ein.

 

Aber, wie gesagt: Es war nicht der Tag der Mehrqualitäten ...