Phönix, Ikarus und Garching 1

Dienstag, 02 Dezember 2014 09:27 Benno

Als einer der Titelfavoriten in die Saison zu starten und sich vor Beginn der Saison hoch oben in der Tabelle zu sehen, das ist ungewohnt für Garchings Erste, und wie wir jetzt wissen führt es auch nicht zu einem dauerhaften Höhenflug. Dagegen: Ganz, ganz unten in den Niederungen der Tabelle zu stehen und sogar ein bisschen über den Abstieg in die bayerische Unterwelt philosophieren zu dürfen, das kennen und mögen wir – und sobald die unsanfte Landung erfolgt ist, machen wir es ganz gerne wie das bekannte mythologische Federvieh und orientieren uns wieder nach oben. So auch in der dritten Runde gegen den SK Kriegshaber, den wir ohne drohenden Aufstieg im Nacken recht souverän mit 6,5-1,5 besiegen konnten.


Am ersten Brett hatte Egor in einer englischen Partie (1. c4 e5) mit Schwarz schon bald Vorteile erspielt – er nutzte eine Ungenauigkeit des Gegners in der Eröffnung zum üblicherweise günstigen Vorstoß e5-e4 und erhielt zudem aktives Spiel gegen den weißen König. Die Partie blieb kompliziert, aber Schwarz hatte durchweg die besseren Chancen, und aktives Figurenspiel in Kombination mit der Schwäche des weißen Monarchen führte schließlich zur Entscheidung (Wolfsteiner - Krivoborodov: 0-1).


An Brett zwei erspielte sich Roland im Bogoinder (3. … Lb4+ 4. Sd2) schon frühzeitig mindestens leichten Vorteil; mit 6. … Lxd2 unprovoziert den schwarzfeldrigen Läufer aufzugeben erscheint allerdings auch etwas entgegenkommend vom Gegner. In der Folge verflachte der weiße Vorteil zwar etwas, aber Roland konnte die Partie für uns entscheiden, nachdem Schwarz mit 25. … exf3? entscheidend den f5-Bauern schwächte (Loetscher - Schnelzer: 1-0).


Die beiden Grundsteine für den hohen Sieg wurden an Brett drei und Brett fünf gelegt, denn hier ging es durchaus knapp zu; anscheinend war die panische Angst vor dem Erfolg durch den bisherigen Saisonverlauf doch noch nicht ganz austherapiert. Chris (Brett 3) hatte im Slawen mit den schwarzen Steinen nach dem interessanten 14. … g5!? schon bald die Möglichkeit, die Partie zu entscheiden (16. … Sh5! -+), aber stattdessen entwickelte sich ein ziemlich wildes Gefecht mit wechselseitigen Fehlern, insbesondere in der Zeitnotphase. Die letzte Fehleinschätzung des Weißen – ein Gewinnversuch im Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern – brachte uns schließlich den vollen Punkt. (Lavrinenkov-Köpke: 0-1).

 

Auch an Brett fünf konnten wir mit dem erzielten Ergebnis nicht unzufrieden sein; Harrys Partie bestach anfangs durch die originelle Spielanlage (2. … Lg4, 3. … Le6; m.E. sollte Weiß hier mit 4. c4 etwas ambitionierter vorgehen) und am Ende durch das rechtzeitige Remisangebot – der Weiße hätte in der Schlussstellung angesichts der schwarzen Felderschwächen und der mangelhaften Entwicklung des Königsflügels mit 23. Se6 oder einfacher mit 23. Td1 in Vorteil kommen können (Demel-Bredl: ½:½).


An Brett vier ging es wesentlich technischer zu, nachdem eine bekannte Zugfolge im Dd6-Skandinavier zu einem Endspiel geführt hatte (in der Eröffnungsphase ließe sich übrigens mit 14. a4 ein anderer Weg einschlagen, wobei das nicht unbedingt erfolgversprechender erscheint). Nach der Abwicklung scheint Weiß mit dem a-Freibauern und etwas Initiative zunächst durchaus die etwas besseren Chancen zu haben, aber letztendlich war kein konkreter Vorteil nachzuweisen. Eine ganz interessante, aber natürlich auch riskantere Möglichkeit wäre vielleicht ein Qualitätsopfer am Ausgang der Eröffnungsphase gewesen, wie etwa in der Beispielvariante 20. c4 Kd7 21. Td1 e6 22. Kb1 Kd6 23. Le3 Tc8 24. cxd5 exd5 25. Te1, mit unklarem Spiel (Levushkina-Bintakies: ½:½).


Wiederum durch ein Eröffnungsexperiment geprägt war die Partie an Brett sechs, allerdings diesmal initiiert durch den Gast vom Augsburger Klub. Gegen die Owen-Verteidigung erreichte Thorsten jedoch bald eine Stellung mit guten Angriffschancen gegen den schwarzen König, wobei Schwarz vor allem unter Raumnachteil und mangelndem konkreten Gegenspiel zu leiden hat. Die richtige Verteidigungsstrategie für den Schwarzen ist nicht leicht zu finden, und nach den beiden Fehlern 15. … Kh8?! und 17. … Sd7? war die Partie in unserem Sinne entschieden. Korrekt wäre wohl die Entlastung mittels 15. … Le7! 16. Lc4 (16. Se5 Sd7!) Se4 gewesen (Schmitz-Hahn: 1-0).


Für ein sicheres Schwarzremis sorgte das solide Eröffnungsspiel von Alex in seinem Dameninder an Brett 7. Alternativ zur direkten Vereinfachung mit 10. … Lxf3 wäre vielleicht 10. … Lb4+ keine schlechte Idee gewesen, aber auch so gab es keine wirklichen Probleme. Allenfalls könnte Weiß vielleicht versuchen, am Königsflügel Initiative zu entwickeln (etwa mit 21. g4 und nachfolgendem Tg1), aber auch dafür ist die schwarze Stellung wohl zu solide (Reis-Dehlinger: ½:½).


Einen klaren, angesichts der Ratingdifferenz aber auch zu erwartenden Sieg holte der Berichterstatter an Brett 8. Mein Kontrahent war in der Eröffnungsphase etwas zu kooperativ, so dass Weiß nach 16. Sxe5 schon deutlichen Positionsvorteil hat; der misplatzierte Sh5 verhindert das schwarze Gegenspiel.  Weiß öffnet nach 18. a5 entscheidend den Damenflügel – falls 18. … b5, so 19. b4 cxb4 20. Sa2 Dxa5 21. Dd2 Lf8 22. Tfb1 mit großem Vorteil trotz der momentan aufgegebenen Bauern (Rücker-Knipfer: 1-0).


Mit nur drei Punkteteilungen als einzige Konzession an unsere durchaus engagierten Gegner vom SK Kriegshaber ist dieser Sieg fast ein wenig zu hoch ausgefallen, aber die Unbeschwertheit des Tabellenkellers hat uns natürlich beflügelt. Es bleibt nur zu hoffen, dass wir uns am kommenden Sonntag nicht mit einem erneuten hochmütigen Sieg zu nahe an die Aufstiegsränge aufschwingen – "In der Mitte des Weges,  Ikaros, bleib!“ …