Wenig gefällig, unausgewogen und kein bisschen robust

Dienstag, 11 Februar 2014 23:57 Benno

Gegen den SK Mering waren wir klarer Favorit, und das an fast jedem Brett mit überaus deutlichen 100-200 DWZ-Punkten Differenz. Jedoch, um ein Bild aus der Weinsprache zu bemühen: Bei der Blindverkostung der Partien würde es wohl Überraschungen geben; einiges, was als edler Rotwein an den Tisch gekommen war, erwies sich nämlich an diesem Sonntag im Abgang als billiger Lambrusco – der Berichterstatter als größte Flasche von allen nicht ausgenommen.

 

Die Malaise begann jedoch am Spitzenbrett, wo Markus in seinem Steinitz-Spanier nicht gut mit den Leichtfiguren umging. In der Eröffnungsphase ist vielleicht 10. Df3 (Idee Td1, b3, Lb2) im Sinne einer harmonischen Entwicklung einfacher als 10. Dd3, aber das war nicht ausschlaggebend. 12. e5 scheint mir den weißen Raumvorteil aufzugeben, während d6 im Gegenzug nicht wirklich schwach wird. Endgültig bergab geht es jedoch erst nach dem künstlichen Manöver Lf4-d2 (besser: direkt 18. Sh4, da 18. … g5 wegen 19. Txe7!-> nicht funktioniert). Nachdem Weiß die Figuren deplatziert hatte, wurde das schwarze Zentrum beweglich, und das Läuferpaar besorgte den Rest.

(Brett 1, Schleich – Andersen, 0-1)

 

Solide war dagegen die Leistung von Alex, der die längste Partie absolvierte. Im abgelehnten Damengambit spielte Weiß für meinen Geschmack zu harmlos (6. cxd5 wäre m.E. typischer und vielversprechender), und nach der Partiefortsetzung (6. Lg5) ist sicherlich 8. Tc1 stärker, um aktives Spiel in der c-Linie zu erhalten. Nachdem Weiß dies ausgelassen hatte, konnte Alex mit 9. … c5 leicht ausgleichen und nach 11. … Se4 die schwarzfeldrigen Läufer tauschen – danach entsteht eine Nimzo-typische Stellung, in der dem Anziehenden schlichtweg das Läuferpaar und damit jede Perspektive fehlt. Die später entstehende Isolanistellung kann Weiß wohl Remis halten, sollte aber sicher nicht den letzten verbleibenden Turm abtauschen, da Leichtfigurenendspiele von dieser Art in einer praktischen Partie fast nie zu verteidigen sind.

(Brett 2, Krug – Dehlinger, 0-1)

 

Eine weitere anständige Partie spielte Johannes, der mit 3. f3 positionelle Vorteile gegen die Caro-Kann Verteidigung seines Gegners erhielt. Die Nebenvariante mit Dd8-b6 ist noch ganz gut spielbar für Schwarz, aber mit 5. … e5?! geht es immer tiefer hinein ins ECO-Niemandsland – Weiß steht in der Stellung mit verschränkten gedeckten Freibauern besser (das schwache Feld d6 ist für Schwarz problematischer als das korrespondierende Feld d3 für Weiß), und so wäre auch 12. Td1 (mit Ziel d6) eine gute Alternative gewesen. 15. … h5 würde man im Tennis einen unforced error nennen; nötig war das Vorrücken bis an die Mittellinie nicht, und dort muss der Bauer immer von der Grundlinie (Th8) observiert werden, da g7-g6 weitere Felder schwächen würde. Der Th8 fehlte folglich auch am Damenflügel, wo Weiß konsequent Initiative entwickelte; nach 20. Sc6 ist dann positionell bereits alles Nötige gesagt. Das Qualitätsopfer 30. Txc4 ist nicht der einzige Gewinnweg, aber überzeugend. Insgesamt stand Schwarz bereits seit der Eröffnungsphase schlechter, konnte kein Gegenspiel entwickeln und traf schließlich in der gegnerischen Initiative noch ein oder zwei falsche Entscheidungen.

(Brett 3, Rusche – Neiß, 1-0)

 

Mir selbst fehlte schon von Anfang an der Glaube an die Möglichkeit einer vernünftigen Partie, und so probierte ich mich an der englischen Verteidigung (1. … e6, 2. … b6). Im dritten Zug spielte ich Lb4 (statt dem flexibleren 3. … Lb7) und mit dem anschließenden 4. … f5 den ersten positionell dubiosen Zug. Die daraus resultierende Bauernstruktur zwingt Schwarz zum Angreifen, da Endspiele praktisch immer günstig für Weiß sind. Dabei wäre aber 12. … c5 (statt 12. … De8) genauer gewesen – c7-c5 ist in der Partiefortsetzung einen Zug später immer noch nötig, dann allerdings könnte Weiß mit 14. d5!? einen Bauern opfern und anschließend in Ruhe die Türme auf der e-Linie verdoppeln, mit interessanter Kompensation aufgrund gut zentralisierter Figuren. Mein Gegner spielte durchweg vernünftige Züge, was immer unangenehm ist, wenn man sich eine Desperado-Struktur aufgebaut hat. Ich fand im Mittelspiel mit 21. … f5!? und 23. … Df3 wenigstens noch die besten Züge, die zudem einen Bauern gewinnen – aber eben auch in ein Endspiel abwickeln, in dem der Tg7 deplatziert ist. Nach Rückgabe des Mehrbauern erhält Schwarz mit f5-f4 gerade genug Spiel, um ein Remis zu erreichen, was ich aber nicht mehr demonstrieren musste. Großes Schach sieht anders aus.

(Brett 4, Stanzl – Rücker, ½-½)

 

Claus erarbeitete sich in einem Anti-Sizilianer zunächst augenscheinlich Vorteil durch Entwicklungsvorsprung und ein Vollzentrum (7. d3 ist üblicher als 7. d4, aber das Konzept von Claus erscheint mir eigentlich sehr gut). Schwarz allerdings hat keine strukturellen Schwächen; thematisch wäre der direkte Versuch, mit f3-f4 (z.B. im 14. Zug, Idee e4-e5) die Stellung zu öffnen, während Schwarz noch unterentwickelt ist. Ein anderer Weg, um Schwarz Schwierigkeiten zu bereiten, ist nicht zu erkennen, und nach 20. … g5, was nicht nur f3-f4 verhindert sondern auch die originelle Aktivierung der schwarzen Schwerfiguren über die sechste Reihe erlaubt, ist die Stellung unklar. 29. Kg2 ist ein schwerer taktischer Fehler, nach dem Weiß verloren ist.

(Brett 5, Pitschka – Seiler, 0-1)

 

Die dritte und letzte unverkorkste Partie spielte Richard. Im Dameninder verzichtete er auf den angebotenen Übergang ins Petrosian-System (5. … d5), sondern spielte 5. … Le7, was Weiß Raumgewinn mit d4-d5 erlaubt; die Stellung ist theoretisch bekannt und in Ordnung für Schwarz. 11. Lg5?! ist in dieser Struktur jedoch fast immer falsch; anschließend erhält Schwarz mit dem üblichen taktischen Trick (Sxd5) einen Mehrbauern, und Weiß kann nur darauf hoffen, ihn zurückzuerobern – aber nicht mehr. Aus weißer Sicht war unbedingt 14. Sxg5 nötig (Halbieren des Läuferpaars und Eliminieren einer Deckungsfigur von d6), um anschließend mit 15. Lf3 (Idee Lf3-d5, Türme in die d-Linie) ausreichende Kompensation zu erhalten. Nachdem diese Chance ausgelassen wurde, war die Partie eine Einbahnstraße; Drohungen am Königsflügel führten zu weiteren Materialgewinnen.

(Brett 6, Warisch – Schreiner, 0-1)

 

In der Colle-Zukertort Partie von Denis war die erstaunliche Karriere eines Springers zu bewundern; 8. … Sd7?! würde ich noch als klaren positionellen Fehler bezeichnen, da dies ohne Not die Figur dezentralisiert (8. … b6 wäre ein normaler Zug); 9. e3-e4?! erscheint aber nicht geeignet, diesen Defekt der schwarzen Stellung nachzuweisen – so erhält dieser Springer schnell wieder eine Aufgabe auf c5 mit Blick nach d3 und e4. Besser wäre meiner Meinung nach 9. c4 gewesen, woraufhin Schwarz nicht einfach beide Bauern im Zentrum hätte tauschen können, da seine Figuren dann passiv blieben. Die in der Partie entstehende Isolanistellung ist bequem für Schwarz, mit gut postierten Leichtfiguren gegen zwei weiße Springer, die sich gegenseitig auf den Füßen stehen. Weiß müsste eine oder mehrere Figuren tauschen – dafür wäre z.B. Gelegenheit mit 15. Sxc6 bc6 16. Lxf6 Dxf6 17. Dd4, mit Ausgleich; alternativ könnte man an verschiedenen Stellen auch über einen Abtausch auf e6 nachdenken (interessant z.B.: 16. Sxe6 fxe6 (… Txe6 17. cd5 Td6 18. Dc2 mit vielleicht einem kleinen Plus für Weiß) 17. Lxf6 Dxf6 18. cd5 Sc3, und die schwarze Aktivität dürfte den Isolani kompensieren). Im weiteren Partieverlauf sind die weißen Figuren zu schlecht postiert und zu anfällig für Fesselungen auf den langen schwarzen Diagonalen (a7-g1, h8-a1); konsequenterweise geht Sxf2 auch schon im 17. Zug, nach 18. Te3 bedeutet das Springeropfer (genau des Springers, der sich mit 8. … Sd7?! eigentlich erstmal wieder Richtung Stall orientiert hatte) aber direkt fin de partie. Wenn man nur scheinbar koordinierte, zu viele gleichartige oder für die Struktur völlig falsch postierte Figuren hat, muss man meistens übers Abtauschen nachdenken – auch wenn das bedeutet, dass man gegen einen schwächeren Gegner kaum noch auf Vorteil spielen kann; das noch als Wort zum Sonntag, Amen.

(Brett 7, Wiegner – Rebitzer, 0-1)

 

Karsten und sein Gegner lieferten sich zunächst ein Theorieduell im Slawischen Gambit, in dem sich alles um die Dominanz auf den schwarzen Feldern dreht. Allerdings ist 15. Dg3? ein klarer Zeitverlust – Dg4-g3 sollte Weiß nur spielen, wenn Schwarz ihn mit h7-h5 dazu zwingt, der Zug also kein Tempo kostet. Alternativen für Weiß wären stattdessen 15. Se4 oder 15. h4 (um auf die Entlastungsidee Lxg5 mit dem h-Bauern wiedernehmen zu können, übrigenfalls ist manchmal die für Schwarz günstige Folge … Lxg5 Dxg5 Lxf3 möglich, und Weiß muss mit dem g-Bauern auf f3 zurückschlagen). Nicht ganz einleuchtend ist für mich aber auch 15. … Lc6 (15. … a5!?) und das folgende Dc8-b7. Damit überredete Karsten seinen Gegner zum Tauschen der weißfeldrigen Läufer, aber in einigen Vorgängerpartien hat der Weiße dies sogar freiwillig mit Lxb7 getan, ohne zwei Tempi dafür zu bekommen. Danach ist die Situation komplex, und man kann die resultierenden Fehler benennen, aber eigentlich kaum kritisieren: 18. … h6 ist wohl nicht gut und verunklart die Partie; Engines möchten 18. … Lxg5!? 19. Lxg5 De4+ 20. Kf1 gxh5!? spielen – das erscheint zunächst recht absurd, aber es ist nur noch eine Leichtfigur auf dem Brett, und Weiß hat selbst auch Probleme in der g-Linie und vor allem natürlich langfristig am Damenflügel. 20. Dxg5 wäre übrigens ein netter Witz, der zur gleichen Stellung führt wie der Partiezug 20. Lxg5. Die lange Rochade im 22. (statt dem solider erscheinenden 22. 0-0) wirkt aufgrund des exponierten Königs zunächst absurd, aber Schwarz muss seinen eigenen Monarchen auch an den Damenflügel evakuieren, was die Angriffschancen verringert. Dennoch hätte 28. … b4! starke Initiative entwickelt; im 30. Zug ist Weiß dagegen schon besser auf diesen Hebel vorbereitet, und 31. … bxc3+ schließlich ist ein Fehler, der die weißen Freibauern entwertet und den weißen König etwas aus dem Schussfeld nimmt (besser 31. … Sxc3!). Von einer ganz anderen Güteklasse ist dann der Zeitnotfehler 32. … Sxe3, der Matt zulässt (33. Txd8+ Txd8 34. Tb1, und bald ist es aus). Glücklicherweise nahm Weiß diese Chance nicht wahr, und Schwarz konnte sich ins Remis retten.

(Brett 8, Stoll – Schlinkmeier, ½-½)

 

Mering 4, Garching 4: Über unsere verbliebenen Aufstiegschancen müssen wir meiner Meinung nach nicht unbedingt sprechen; eher sollten wir mal ein kleines Trainingslager abhalten, vielleicht mit einem guten Roten.